Medientag 06.06.2007

Studientag Medien und Entertainment:
Zukunftspotenziale der Medien und Zukunft der Medien in NRW

Zukunftspotentiale der Medien und Zukunft der Medien in NRW lautet das Motto des Studientags Medien und Entertainment 2007 an der Europa Fachhochschule Fresenius in Köln. Neben interessanten Vorträgen und spannenden Diskussionsrunden wurden der memi Talent Award verliehen und der Film „Medienland NRW“ erstaufgeführt.

1. Zukunftspotenziale der Medien – Berichterstatterin Stephanie Krings

Prof. Dr. Constantin Lange, Geschäftsführer RTL interactiveNeue Inhalte, neue Vertriebswege – Herausforderungen und Chancen für die Bewegtbild-Industrie

„Die Medienkonvergenz ist schon da! Sie ist nur noch nicht massenmarktfähig“, so Prof. Dr. Constantin Lange, Geschäftsführer RTL interactive, im ersten Teil des Studientags Medien und Entertainment des Medien+Entertainment Management Instituts (memi) und der Europa Fachhochschule Fresenius.

Die Technologie für MobilTV ist bereits vorhanden, es fehlen nur die Handys. Die Pipe-Technologie hat sich rasant weiterentwickelt. Wurde vor 10 Jahren noch das analoge Modem für den Internetzugang genutzt, so steigt die Anzahl der Internethaushalte mit Breitbandanschluss (Voraussetzung für IP-TV) stetig. Und auch die Application Technologie hat in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung gemacht (Web 2.0, RSS-Feeds). Nun stellt sich also nur noch die Frage, welche Inhalte und welche Geschäftsmodelle für die Veredelung der Inhalte die „richtigen“ sind und auf die Technologie aufgesetzt werden sollten.

Prof. Dr. Lange unterteilt die Geschäftsmodelle im Internet nach dem 4-C-Modell in die vier Bereiche Connection, Context, Commerce und Content.

Connection umfasst Anbieter von Produkten zur Herstellung der Möglichkeit eines Informationsaustausches in Netzwerken. Zu dieser Gruppe gehören z.B. Anbieter von Internetzugängen oder Email-Diensten. Das Internet kann vor allem als Kommunikationsmedium bezeichnet werden. Email ist immer noch der meist genutzte Service im Internet. Zudem setzen jüngere Nutzer insbesondere auf Chat, Messenger und VoIP. Der Grund dafür ist, dass fast keine Kosten für die Nutzung anfallen, und insbesondere Bequemlichkeit – die jungen User haben ihren eigenen, fast kostenlosen Kanal, um mit ihren Freunden zu kommunizieren.

Der Bereich des Context dient dem Nutzer zur Suche und Orientierung im Internet. Den Nutzern werden klassische Services, die mit einer herkömmlichen Bibliothek zu vergleichen sind, aber auch neue Services wie die Social Suche angeboten, bei der die Suchergebnisse auf Empfehlungen anderer Nutzer beruhen. Insbesondere bei der Social Suche sieht Lange künftiges Wachstumspotenzial.

Im Commerce-Segment stehen die Anbahnung, Aushandlung und/oder Abwicklung von Transaktionen im Internet im Mittelpunkt. Der Experte für neue Medien berichtet, dass „alles was Offline geht, auch Online geht“. Der Medienmanager spricht in diesem Bereich vor allem den Digital Items hohe Wachstumschancen zu, auch wenn diese in Deutschland noch relativ unpopulär sind. Digital Items, also Produkte, die ein Nutzer für (s)eine virtuelle Figur (z.B. bei Second Life für seinen Avatar) im Internet kauft, aber mit realem Geld bezahlen muss, erfreuen sich z.B. in England bereits großer Beliebtheit.

Content bezeichnet das Angebot digitaler Inhalte – unabhängig, ob es sich um Text, Bild, Audio oder Video handelt. Anbieter von klassischem Content stehen vor allem vor der Herausforderung, sich nicht mehr nur gegen professionelle Wettbewerber, sondern auch gegen die Anbieter von User-Generated-Content behaupten zu müssen. User-Generated-Content führt zu einer Fragmentierung des Angebots, wodurch klassischer Content an Nutzung verliert.

Prof. Dr. Lange stellte zwei Thesen über die Zukunft der Medien auf:

1)  Die Tendenz geht in Richtung „Super-Plattformen“, die über das gesamte Angebotsspektrum verfügen. Diese werden dem Nutzer klassische, professionelle Inhalte, aber auch User-Generated-Content, zusammen mit Such-, Community- und vielen weiteren Funktionen und Services, bieten. Vorteil dieser Plattformen ist standardisierte Nutzerführung – der User muss sich nur einmal registrieren und kann dann viele verschiedene Funktionen und Services nutzen. Als Vorteil für Anbieter solcher Plattformen nannte der Experte Economies of Skills and Scale. Zudem bieten sie für Werbekunden Reichweite und genau abgrenzbare Nutzerprofile, wodurch Werbung exakt zugeschnitten werden kann.

2) Obwohl Videoportale mit durchschnittlich 20 Minuten pro Monat pro User eine bisher nur geringe Nutzung aufweisen, spricht Lange Bewegtbild das Potential zu, „die Killerapplikation, die Medienanwendung überhaupt“ zu werden. Hier gilt es vor allem, das in der alten, analogen Welt Gelernte anzuwenden: State of the Art-Technologie ist ein MUSS, die Bedienung muss so einfach wie die der klassischen Fernsehbedienung sein, der Kunde muss einen Nutzen haben und die Marktposition muss mittelfristig sicherbar sein (Sustainability).

Des Weiteren stehen Content-Anbieter zwei Herausforderungen gegenüber:

1) Content-Anbieter wissen nicht, welche Bewegtbild-Inhalte die Nutzer sehen möchten, da die Präferenzen von einer Vielzahl von Faktoren, wie z.B. Nutzungszeitpunkt, Art des Nutzungsvorgangs und individuelle Bedürfnisse der Nutzer, abhängig sind. Laut Professor Lange wird dies zu einer kompletten Individualisierung von Content führen.

2) Die zweite Herausforderung ist die Monetarisierung von Content. Der Referent verweist hier auf die Vier-Felder-Matrix, nach welcher sich die Erlösquellen in direkte und indirekte sowie transaktionsabhängige und –unabhängige gliedern. Zur Verdeutlichung nutzt er das Beispiel der Serie GZSZ: Der VoD-Abruf einer Folge kostet 1,67 Euro netto, das Monatabonnement 6,70 Euro netto. Eine weitere Möglichkeit wäre, die Einbindung von Werbung und folglich die Nutzung kostenlos anzubieten. Mit welcher Variante sich die meisten Einnahmen erzielen lassen, kann nur durch Ausprobieren herausgefunden werden. Er sagt: „The proof of the pudding lies in the eating.”

Dr. Martin Richartz, Vodafone R + DInteroperabilität: mein Markt, dein Markt, der Markt. Chancen des Mobilfernsehens

„Interoperabilität ist die Chance des MobilTVs“, sagt Dr. Martin Richartz, Vodafone R + D, in seinem Vortrag über die Chancen des mobilen Fernsehens. Aber wie kann Interoperabilität hergestellt werden?

Für den Mobilfunkexperten stellt sich zunächst Frage, welches System, DVB-H oder T-DMB, sich für mobiles Fernsehen in Deutschland durchsetzen wird. Hierzulande ist derzeit bei dem Einsatz von DVB-H und T-DMB ein Nord-Süd-Gefälle zu beobachten. Zu weiterer Verwirrung führt, dass beispielsweise in Asien wieder andere Standards eingesetzt werden.

Die zweite Frage ist für den Referenten die Lizenzfrage. In Deutschland gibt es 14 Landesmedienanstalten, welche sich im März 2007 auf ein DVB-H Pilotprojekt in 2008 einigten. Derzeit wird das Mobilfunkkonsortium durch das Kartellamt geprüft. 29 Bewerber für die DVB-H-Lizenzen, darunter die großen Senderfamilien, Mobilfunkbetreiber und Radiosender, zeugen von hohem Interesse an DVB-H.

Auch fragt Dr. Richartz nach der Technik. Für MobilTV wird eine entsprechende Infrastruktur (Netz und Endgeräte) benötigt. Auf dem Markt gibt es bereits komplette technische Standards (DVB, OMA, ITU, etc.) und diverse Endgeräte, z.B. von Samsung, Nokia oder LG. Das Problem sind aber die vielen, miteinander nicht kompatiblen Endgeräte und Standards mit teilweise unterschiedlichen, ebenfalls nicht kompatiblen Features.

Zuletzt stellt Dr. Richartz die Formatfrage, welche unabhängig von der eingesetzten Technik ist. Für mobiles Fernsehen müssen spezielle Formate entwickelt und für ein Massenpublikum vorbereitet werden. Dieses gestalte sich bei MobilTV noch relativ einfach, da hier keine weitere Integration der Mobilfunkbetreiber stattfindet. Aber er sieht neben Audio und Video noch einen weiteren Datenstrom, eine Art „Multimedialen Videotext“, welcher sich u. a. aus Access, Additional Information, Interaction und  Background Information zusammensetzt.

Abschließend wies Dr. Richartz darauf hin, dass Kundenwünsche künftig mehr Berücksichtigung finden müssen. Bisher gab es auf dem Markt viele, meist undurchsichtige Preismodelle und Geräte, die miteinander nicht kompatibel waren. So funktionierten die Dienste bestimmter Provider nur mit bestimmter Technik und umgekehrt und andere wiederum nur mit anderer Technik bzw. Providern, und im Ausland funktioniert es gar nicht.

Im Anschluss an die Vorträge diskutierten die Projektassistenten Jacques Colman und Sascha Hartmann mit den beiden Referenten die Zukunftspotenziale der Medien.

memi Talent Award

Nach den beiden Expertenvorträgen wurden die Gewinner des memi Talent Awards Stefanie Geenen, Ulrich Theilmann und Moritz Wappenschmidt gekürt. Aufgabe der Projektgruppe war die Entwicklung einer vollständigen Programmwelt für 14-20 audio-visuelle MobilTV-Känale. Dr. Richartz übergab den Gewinnern den von Vodafone gestellten Preis, je ein Handy W850 von Sony Ericsson. Der Mobilfunkexperte lobte die Liebe zum Detail, mit welcher die Gewinnergruppe das Projekt ausgearbeitet hatte. Insbesondere hatte ihm die Definition der drei Primetimes bei der mobilen TV-Nutzung gefallen.

Publikumsquiz

Zum Abschluss der ersten Hälfte des Medien und Entertainment Studientages wurde das Publikumsquiz veranstaltet. Die Quizfrage lautete: Die Filmstiftung NRW stützt den Film- und Fernsehstandort Nordrhein-Westfalen vor allem durch die Produktionsförderung. Sie förderte (von ihrer Gründung 1991 bis Ende 2006) 1.001 Produktionen: Kinofilme, TV-Projekte, Kurzfilmprojekte, Low Budget-Projekte, etc. Wie hoch war die Fördersumme der Filmstiftung NRW für diese 1.001 Produktionen insgesamt? Die richtige Antwort lautete: 370.959.920,66 Euro.

2. Zukunft der Medien in Nordrhein-Westfalen – Berichterstatter Christian Byza

Auch im zweiten Teil des Studientages ging es spannend weiter.

Zur Einstimmung auf die vier Vorträge dieses Blockes wurde zunächst der eindrucksvolle Film „Medienland NRW“ gezeigt. Dieser wurde von den Rheinklangstudios und Studenten der Europa Fachhochschule Fresenius im Auftrag des memi produziert. Der Film zeigte deutlich, welche wichtige und herausragende Stellung NRW in den Bereichen Zeitung, Radio, Film, Fernsehen und Konvergenz in Deutschland inne hält. Er stellte heraus, dass NRW nicht Medienland der Zukunft sein wird, sondern es schon ist.

Anschließend an den knapp 20-minütigen Film berichtete Rainer Weiland, Ministerialrat in der Staatskanzlei NRW, über seine Arbeit. Er ging dabei auf drei Schwerpunkte ein. Medien in NRW und Politik, der Medienbereich in Zahlen und Perspektiven und Chancen für die Zukunft.

Horst Schröder, Film & Fernseh Produzentenverband NRW e.V., erläuterte die Filmförderung in NRW. Er zeigte, wie sich die Filmförderung in den letzten 35 Jahren entwickelt hat. Als Ergebnis des Vortrages forderte Herr Schröder die Politik und Wirtschaft auf, die Medien als „Schlüsselwirtschaft in NRW“ noch mehr zu fördern.

Konrad Peschen, Leiter der Stabsstelle Medien im Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Köln, und Dr. Wolfgang Nieburg, Leiter der Stabsstelle Medien im Amt des Oberbürgermeisters in Düsseldorf, knüpften an die vorherigen Vorträge an. Für Köln stellte Konrad Peschen den Studenten dar, wie die Stadt die Medienunternehmen unterstützt und welche attraktiven Standorte mit dem Coloneum, dem Mediapark, dem Medienzentrum Mülheim/Schanzenstraße, aber auch dem neuen Rheinauhafen geboten werden.

Dr. Wolfgang Nieburg prägte dem Auditorium die Formel „Düsseldorf = Köln mal 0,6“ ein. Außerdem referierte er über ein Projekt der Stadt New York, wo von der Stadt eine Zentrale Telefonnummer 311 für alle Belange für die Bürger eingerichtet wurde. Düsseldorf strebe Ähnliches an.

Im letzten Teil dieser Vortragsreihe konnten die Projektassistentinnen des memi-Instituts Daniela Bremer und Cathy Six die Referenten in einer anregenden Diskussion noch die eine oder andere interessante Frage beantworten lassen.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion wurden die Gewinner des Publikumsquiz bekannt gegeben.

Auch nach ihren Vorträgen standen die Referenten des Medien und Entertainment Studientages den Studenten beim Kölsch Chill Out Rede und Antwort.